Benedict (Ben) Heinzl (links im Bild) und Dominik Glatzl sind zwei kreative Köpfe aus Wien. Vor einem Jahr starteten sie das gemeinsame Projekt „Golden Ratio“. Im Interview teilen Sie mit uns ihre faszinierende Maker-Reise und die Entstehung ihrer innovativen Projekte. Viel Spaß beim Blick hinter die Kulissen, wie aus Ideen handfeste Realität wird.
Wie seid ihr zum Maker geworden und was oder wer hat euch inspiriert, damit anzufangen?
Dominik: Bei mir hat es angefangen, als ich das erste Mal einen Hammer in der Hand halten konnte und meinem Papa beim Renovieren geholfen habe. Ich glaube, es ist angeboren.
Ben: Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie jung ich war. Aber ich habe angefangen, Videorekorder zu zerlegen. Solche Sachen habe ich immer schon gemacht. Es gibt zu Hause irgendwo eine Diskette, auf der steht: Bennys Erfindungen. Ich weiß leider nicht mehr was drauf ist, weil ich natürlich keinen Computer mit Diskettenlaufwerk mehr habe.
Erzählt uns doch bitte ein wenig über euren Hintergrund.
Ben: Ich habe eine HTL für Netzwerktechnologie in Wien absolviert. Dort habe ich auch das Fach „Mechanische Werkstätte“ gehabt, aber das zählt ja schon fast nicht mehr. Nach der HTL habe ich dann nichts mehr in diese Richtung gemacht, sondern bin zum Theater und zum Film gegangen. Dort war ich fast 10 Jahre ausschließlich. Ich bin inzwischen hauptberuflich Kameramann und drehe Filme und Serien.
Durch ein Projekt von mir hat es sich entwickelt, dass ich wieder selber etwas bauen und machen wollte – meine Kaffeemaschine. Bisher gibt es davon aber nur einen Prototypen.
Dominik: Ich habe an der BOKU studiert. Aber Werken war schon in der Volksschule mein Lieblingsfach. Und wirklich begonnen hat es dann, als ich mit 15 von meinen Eltern einen Bogen zum Bogenschießen bekommen habe. Da habe ich beschlossen, dass es der Bogen von der Stange nicht tut – es musste ein eigener sein. Ich habe mir also Bogenbauen beigebracht. Das Ganze hat sich dann über die Jahre zu einem größeren Paket entwickelt. Weil man braucht ja natürlich auch einen Köcher – daher habe ich mit Lederarbeiten begonnen. Und so weiter und so fort. Das ist alles so hobbymäßig nebenhergelaufen.
Als ich meinen Lieblingskugelschreiber aus Titan verloren habe, habe ich meinen langjährigen Freund Ben kontaktiert. Ich hatte mitbekommen, dass er sich bereits mit CNC-Fertigung beschäftigte. Ich habe Ben also eine Nachricht geschrieben: „Du, ich hab‘ meinen Kugeschreiber verloren. Können wir einen Kugeschreiber bauen?“ Und er meinte „Na dann mach‘ ma halt einmal …“ Und dann hat das begonnen.
So entstand also die Idee zu eurem Start-up Golden Ratio?
Dominik: Ja, wir haben dann beschlossen, dass wir uns, wenn wir uns schon die Mühe machen, gleich einen eigenen Stift designen, den wir auch verkaufen können. Und da kam dann relativ bald die Idee zu Golden Ratio, das wir dann vor einem Jahr als Marke etabliert haben.
Golden Ratio deshalb, weil es als grundlegendes Design-Prinzip so schön ist, dass die Teile alle zueinander im Goldenen Schnitt stehen …
Ben: Das Kugelschreiber-Projekt ist allerdings um einiges komplexer, als wir gedacht haben. Jetzt gibt es einen Prototypen, aber wir müssen noch ein wenig daran arbeiten. Außerdem gibt es noch nicht alle Maschinen im Happylab, die wir dazu brauchen. Also haben wir beschlossen, uns mit etwas anderem zu beschäftigen, und da kam dann relativ bald die Idee zu Epiphany, unser Schreibpult mit integriertem Licht fürs Nachtkästchen.
Worum handelt es sich bei Epiphany?
Ben: Die Idee dazu ist mir beim Einschlafen gekommen. Denn ich dachte mir, ich brauche etwas, um mir aufzuschreiben, wenn mir in der Nacht eine Idee kommt, ohne dass ich noch einmal das Licht aufdrehe oder rausgehen muss. Bei unserem Schreibpult Epiphany geht ein kleines Licht an, sobald man den Stift in die Hand nimmt. Dann schreibt man sich seine Eingebung auf, legt den Stift wieder hin, das Licht geht aus und man kann beruhigt weiterschlafen.
Dominik: Das haben wir nun über das letzte halbe Jahr von der Idee zur Marktreife gebracht. Wir haben die ersten Teile schon auf der Website und sind verkaufsbereit. Zielgruppe sind unter anderem so Spinner wie wir, die die ganze Zeit irgendwelche Ideen haben, oder auch Leute, die Traumtagebuch schreiben oder Journaling betreiben und sich dabei etwas von Technologie abkoppeln möchten.
Ihr habt aber noch ein weiteres Projekt, das sehr ungewöhnlich ist …
Ben: Ja, wir haben mit Aequinox eine zweite Brand, unter der wir Sport-Wurfmesser produzieren. Das sind Messer, die keine scharfe Schneidekante haben, nur vorne spitz sind.
Dominik hat bei der Metall-Laser-Einschulung im Happylab Alexander Bruestle kennengelernt. Alexander ist hauptberuflich Architekt und hat sich die perfekten Wurfmesser ausgedacht. Er betreibt selbst diesen Sport, hat eine riesengroße Sammlung und verfolgt die Weltmeister seit Jahrzehnten. Sein Ziel war es, das perfekte Wurfmesser zu machen. Er hat das dann im CAD designt, mit genauem Gewicht und genauem Schwerpunkt, und er hat sich für ein bestimmtes Material entschieden. Dann hat er es unterschiedlichen Herstellern und Schmieden gegeben, die das Messer mit der Hand hergestellt haben. Sie sind aber nicht auf die Präzision gekommen, die er für sein Design braucht. Und dann ist er zufällig uns über den Weg gelaufen.
Dominik: Nach der Einschulung hat er mir erklärt, was er gerne machen würde. Und dann haben wir beschlossen, es auszuprobieren. Und nun sind die Messer am Markt. Wir haben sogar schon ein Set an den amtierenden Weltmeister in der No-Spin-Technik in Finnland, Joel Holopainen, zum Testen geschickt. Wir sind selbst erst Anfänger bei diesem Sport und es gibt noch keinen Verein in Wien. Aber wir könnten einen gründen. Also falls Interesse besteht, bitte melden!
Welche Werkzeuge und Technologien verwendt ihr am häufigsten in euren Projekten?
Dominik: Alles außer die Texilwerkzeuge.
Ben: Bis jetzt zumindest. Ganz stark verwenden wir natürlich die großen CNC-Maschinen: die SYIL, den Metall-Laser und die AccTek. Aber auch den dicken Hobel und die Formatkreissäge.
Für Aequinox mussten wir eine Halterung für die SYIL bauen, die den kompletten Bauraum der Maschine ausnützt.
Wie geht ihr bei der Ideenfindung und Planung eurer Projekte vor?
Dominik: Am Anfang: Whiteboard, throw it at the wall und see what sticks.
Ben: Wir sind oft bei mir zu Hause im Büro oder Wohnzimmer gesessen und haben Ideen aufgemalt und versucht, Dinge, die wir uns dreidimensional vorstellen können, zweidimensional an die Wand zu malen.
Dominik: Wir definieren alles am Whiteboard so, dass man es im CAD zeichnen kann. Und dann machen wir möglichst schnell einen 3D-gedruckten Prototypen, um zu schauen, ob es funktioniert. Und wenn das Sinn macht, gehen wir den nächsten Schritt an.
Ben: Der Werdungsprozess von Epiphany war zum Beispiel so: Wir haben über die Idee gesprochen, es aufgemalt, sind am selben Tag ins Happylab gefahren, haben es gedruckt, ein Stück Holz ausgeschnitten und den Version-0-Prototypen innerhalb von einem Tag fertiggehabt. Aber das geht natürlich nicht immer so leicht und schnell.
Habt ihr bestimmte Herausforderungen oder Hindernisse erlebt, während ihr an Projekten gearbeitet habt?
Dominik: Ohne Übertreibung: täglich.
Ganz am Anfang war es zum Beispiel schwierig, die richtigen Fräser für die Metall-CNC-Fräse zu eruieren. Und herauszufinden, welche Fräser wofür funktionieren, hat uns schon ein Vierteljahr gekostet.
Ben: Außerdem ist uns Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung wichtig. Und das möchten wir auch als Brand leben. Es ist aber immer noch ein ziemlicher Zusatzeffort. Gerade bei Zulieferern ist es schwierig. Vor allem bei Metall wird es kompliziert. In kleinen Mengen, wie wir einkaufen, hat man leider nicht viel Auswahl und bekommt kaum zertifiziertes Material.
Wie hat die Mitgliedschaft im Happylab eure Maker-Reise beeinflusst?
Dominik: Die Projekte in dieser Form hätten gar nicht erst begonnen, wenn wir die Möglichkeiten hier nicht hätten.
Ben: Ja, ohne die Geräte hier hätten wir unsere Projekte nie verwirklichen können. Bei manchen könnte man sich vielleicht schon eine günstige Version für daheim kaufen – einen Lasercutter zum Beispiel. Aber eine große CNC-Holzfräse oder eine Metall-CNC-Fräse hat man nicht einfach so zu Hause.
Habt ihr Tipps oder Ratschläge für Menschen, die gerade erst beginnen möchten?
Ben: Das Erste, was mir in den Sinn kommt: Nicht die allerbilligsten Werkzeuge kaufen, das führt schnell zu Frustration.
Dominik: Youtube hat die Antwort auf alle Fragen. Aber wenn Leute im Happylab sind, macht es auch Sinn, einfach direkt zu fragen. Die meisten sind auch sehr hilfsbereit. Und wenn grad niemand da ist, einfach das Wiki lesen.
Gibt es in der Maker-Community jemanden, der euch besonders inspiriert?
Ben: John Grimsmo, ein Kanadier, der extrem hochwertige Stifte und Taschenmesser produziert. Er hat auch einen Youtube Channel, auf dem er seine Reise teilt. Angefangen hat er mit einer CNC-Maschine in seiner Garage. Jetzt hat er eine Firma mit zwei Hallen und 15 Mitarbeitern. Das ist sehr informativ und spannend.
Könnt ihr uns etwas über zukünftige Projekte oder Pläne verraten, an denen ihr gerade arbeitet oder die euch im Kopf herumschwirren?
Ben: Neben dem Kugelschreiber ist meine Kaffeemaschine natürlich auch noch Thema. Es ist eine mobile Kaffeemaschine, die so wenig Strom verbraucht, dass man sie mit einem Akku betreiben kann, aber Kaffee auf dem Level einer Siebträgermaschine macht. Sie verbraucht nur 250 Watt im Vergleicht zu meiner Maschine zu Hause, die 1.200 Watt verbraucht. Und ich habe den Prototypen schon überall mitgenommen, sogar zu einem Dreh in Bolivien.
Dominik: Wir würden außerdem gerne weitere Produkte für die EDC (Every Day Carry)-Community auf den Markt bringen. Die tragen immer einen Kugelschreiber, ein Taschenmesser, einen Flaschenöffner, ein kleines Büchlein etc. bei sich. Sie haben Sammlungen von den unterschiedlichsten Gegenständen und nehmen jeden Tag etwas anderes mit. Also Dinge, die in dieses Feld reinfallen, werden sich bestimmt noch entwickeln.
Und was hat es eigentlich mit der Matte an eurem Gitterwagen auf sich?
Ben: Die ist tatsächlich da, um ein kurzes Schläfchen einzulegen. Wenn es bei mir sehr intensiv ist, hab‘ ich nur einen kurzen Kernschlaf und dann muss ich zwischendurch mal nappen. Wenn wir also unsere 16-Stunden-Tage im Happylab haben, bekomme ich auf der Matte im Co-Working Raum unter dem Tisch zumindest mal eine halbe Stunde Schlaf.
Vielen Dank für das Teilen eurer Erfahrungen. Wir sind gespannt auf eure zukünftigen Projekte und wünschen euch viel Erfolg!