Maker Porträt: Prostor Studio über Design, Nachhaltigkeit und Multifunktionalität

Maria Levitsky und Daniil Chechin teilen ihre inspirierende Maker-Reise, vom frühen Handwerken bis zur Gründung von Prostor Studio. Ihre Leidenschaft für Möbeldesign vereint sich mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit und Multifunktionalität. Im Interview erzählen sie uns, wie die Distributed Design Residency eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung ihres ersten marktreifen Produkts spielte, welche Herausforderungen sie meistern müssen und wie spannend ihre Pläne für die Zukunft sind. Ein aufschlussreiches Gespräch, das Mut zur Veränderung und Selbstreflexion betont.

Maria und Daniil von Prostor Studio

Was macht euch zu Makern? Und was oder wer hat euch inspiriert, damit anzufangen?

Daniil: Ich komme aus einem post-sowjetischen Land. Dort haben die Menschen immer schon viel selbst mit ihren Händen gemacht. Ich habe auch schon als Kind mit Werkzeugen gespielt. Mein Vater und mein Bruder haben mir damals viel gelernt und mir gezeigt, wie man Dinge reparieren kann. Ich sehe mich als Maker, weil ich es liebe, Dinge zu bauen und zu gestalten und immer neue Technologien auszuprobieren.

Vor 8 Jahren haben wir – Maria und ich – ein Projekt mit einer Designerin umgesetzt, bei dem wir die Möglichkeit hatten, einen 3D-Drucker zu testen. Und ich war total überrascht, wie einfach man Objekte damit herstellen kann. Das hat mich motiviert, weiterzumachen.

Maria: Ich habe Architektur studiert, weil ich immer wollte, dass meine Ideen Realität werden. Und ich habe bei diesem gemeinsamen Projekt mit Daniil gemerkt, wie toll es ist, dass man mit solchen Dingen experimentieren kann.

Als wir dann vor 7 Jahren nach Wien gezogen sind, hat mich Daniil mit ins Happylab genommen und mir gezeigt, was hier alles möglich ist. Also ist es eigentlich er, der mich inspiriert hat.

Erzählt uns doch bitte ein wenig über euren Hintergrund.

Daniil: Ich bin wie Maria Architekt. Meinen Bachelor habe ich hier in Wien an der TU gemacht. Jetzt mache ich ein Master-Studium zu Distributed Design Innovation am Institute for Advanced Architecture of Catalonia. Dabei geht es um einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Zugang zu Design und Produktion.

Ich bin auch noch Teilzeit als 3D-Designer angestellt. Mit 3D beschäftige ich mich bereits seit 10 Jahren, schon als ich in Moskau noch zur Schule gegangen bin. Diese Skills haben mir sehr geholfen, hier im Happylab Prototypen zu gestalten.

Maria: Für uns als Architekt*innen ist es vielleicht etwas leichter als für andere Leute, die ganz ohne Vorkenntnisse sind. Wir haben alle 3D-Programme und 2D-Zeichnen im Studium gelernt. Wenn man Maker sein will, muss man sich einerseits mit Maschinen auskennen und andererseits mit Software. Diese Skills haben wir schon mitgebracht. Das war ein großer Vorteil.

Seit wann arbeitet ihr schon im Happylab und wie hat die Mitgliedschaft eure Maker-Reise beeinflusst?

Daniil: Ich habe das Happylab 2018 entdeckt. Am meisten beeindruckt mich immer wieder, wie viel man hier von anderen Mitgliedern lernen kann. Es gibt eine tolle Community und der Austausch untereinander funktioniert super. Und die Unterstützung vom Happylab-Team ist einfach großartig – vor allem Lukas, Vjara und Joanna. Sie sind immer da und offen für Ideen.

Maria: Ich bin dann 2021 dazugekommen. Wir haben viel im Happylab experimentiert, weil es hier einfach so viele Möglichkeiten gibt. Das gibt es sonst nirgendwo in Wien. Wir sind wirklich sehr dankbar dafür.

Wie entstand die Idee zu eurem Start-up Prostor Studio?

Maria: Wir hatten schon lange den Traum, irgendwann mal ein eigenes Design-Studio zu haben. Zuerst haben wir im Happylab viele Sachen für uns selbst gemacht. Als wir bei der Distributed Design Residency 2022/23 teilnahmen, hatten wir die Möglichkeit, viel zu experimentieren. Damals haben wir zum ersten Mal ein Produkt gestaltet, das in Serie gehen soll. Wir haben den Fokus damals auch sehr stark auf Kreislaufwirtschaft gesetzt und uns den Design-Prozess aus unterschiedlichen Perspektiven angeschaut. Das hat uns überzeugt, einen weiteren Schritt in Richtung Professionalisierung zu machen.

Daniil: Auf dem Distributed Design Portal gibt es sehr viele Projekte, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Es war uns also sehr wichtig, dass wir eine nachhaltige Idee in der Residency umsetzen. Wir haben dazu auch einen Workshop mit Therese Balslev vom Danish Design Center besucht und gesehen, dass nachhaltiges Design viele Aspekte hat. Das hat unseren Design-Zugang sehr beeinflusst.

Maria: Bei der Maker Faire Vienna im Juni 2023 haben wir uns dann zum ersten Mal als Prostor Studio präsentiert, unseren Instagram-Auftritt gemacht, Visitenkarten gedruckt und so weiter. Unser Name steht übrigens für "weiten Raum" und symbolisiert die Freiheit des kreativen Denkens.

Welche Projekte setzt ihr um? Was interessiert euch besonders?

Daniil: Wir machen vor allem Möbel- und Spatial Design. Nachhaltigkeit und Multifunktionalität sind uns sehr wichtig. Wir versuchen diese Aspekte in allen unseren Projekten umzusetzen.

Maria: Bei der Distributed Design Residency haben wir ein Möbelstück namens Feel Refill entwickelt. Es ist ein multifunktionales Teil, das gleichzeitig Hocker, Beistelltisch und Regal für Pfandflaschen. Wir haben selbst eine sehr kleine Küche und wussten nicht, wo wir unsere Leerflaschen lagern sollen. Dieses Problem gibt es in vielen Haushalten und wir wollten eine Lösung dafür entwickeln. Es kommt in einem Flat Pack und man kann es einfach zusammenbauen.

Daniil: Es ist auch so entwickelt, dass wir fast keine Materialien bei der Produktion wegwerfen müssen. Durch die Wellen können wir sehr genau ausfräsen und es entstehen quasi keine Restmaterialien. Und wenn man den Hocker nicht mehr braucht, kann man die einzelnen Elemente auch wieder für neue Projekte upcyclen und zum Beispiel dekorative Wandfliesen, Untersetzer oder Serviertabletts daraus machen.

Maria: Im Sommer haben wir außerdem einen Architektur-Wettbewerb gewonnen. Zusammen mit Mariia Samahala und Mykhailo Zhuk, die gerade an der aktuellen Distributed Design Residency teilnehmen. Dabei haben wir einen Food Court für ein Musik-Festival in Lettland entworfen. Unser Konzept bestand darin, die Fassaden mit Paneelen zu gestalten, aus denen man während des Festivals schnell Möbel bauen kann. Das ermöglichte es uns, Platz für die Lagerung während des restlichen Jahres zu sparen. Dabei wurden lokale Materialien verwendet, vor allem Holz. 

Ihr bietet auch Workshops an - was sind das für welche?

Maria: Ja, wir möchten Design inklusiver machen. Und wir möchten Leuten, die keine Design- und Maschinen-Kenntnisse haben, die Möglichkeit geben, Projekte umzusetzen. Unser erster Workshop findet Ende Jänner im Happylab statt.

Daniil: Wir werden dort ein SipSip Untersetzer & Flaschenöffner-Set herstellen, das die Teilnehmer selbst designen können. Außerdem lernen sie die CNC- und Metall-Lasertechnologie kennen. So zeigen wir den Leuten, wie ein Fab-Lab-Konzept funktioniert. Dass man eben relativ rasch und leicht etwas produzieren kann. Wir möchten inspirieren!

Welche Werkzeuge und Technologien verwendet ihr am häufigsten?

Daniil: Am meisten die Holzwerkstatt und dort die CNC-Fräse. Aber auch den Metall Laser, Laser Cutter und den Schneideplotter. Seltener die 3D-Drucker.

Wie geht ihr bei der Planung eurer Projekte vor?

Maria: Wir machen regelmäßige Feedback-Sessions. Einmal pro Jahr machen wir ein Meeting für unsere längerfristigen Pläne. Wir definieren auch immer unsere Schritte für die nächsten 3 Monate. Und monatlich evaluieren wir unsere Fortschritte.

Daniil: Unsere Arbeit beinhaltet natürlich auch viele bürokratische Aspekte: Buchhaltung, Marketing, Planung für Messen, Förderansuchen usw. Der eigentliche Design-Prozess macht wahrscheinlich gerade mal 20 Prozent der Zeit aus. Das ist etwas schade.

Welche Herausforderungen habt ihr bei euren Projekten?

Maria: Wir checken gerade unsere Logistik. Eine große Herausforderung ist es, auch weiterhin nachhaltig zu produzieren, wenn man in Serie gehen möchte. Derzeit machen wir alles noch selbst im Happylab. Aber wenn wir Projekte skalieren möchten, müssen wir uns weitere Wege überlegen.

Daniil: Allgemein ist es nicht leicht, als Designer die richtige Zielgruppe zu finden. Hier sind Institutionen wie die Distributed Design Plattform sehr hilfreich, die Publikationen herausgeben. Wir müssen außerdem auf Messen präsent sein, was einen ziemlich großen finanziellen Aufwand bedeutet – auch wenn es Rabatte für Jungdesigner gibt. Der Investitionsaufwand ist also relativ hoch. Aber was man sagen muss: Es gibt sehr gute Fördermöglichkeiten in Wien für innovative Projekte.

Was würdet ihr Menschen raten, die ihr eigenes Projekt starten möchten?

Maria: Man muss an sich glauben und auch bei Rückschlägen nicht aufgeben! Bleibt mutig und inspiriert. Und es ist wichtig, die Ziele von Anfang an deutlich zu definieren. Willst du dein Projekt als Hobby machen oder davon leben – denn das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge und Zugänge.

Daniil: Man muss auch selbstkritisch und offen für andere Meinungen zu sein. Manchmal lohnt es sich, die Ideen anzupassen!

Gibt es in der Design-Community jemanden, der euch besonders inspiriert?

Maria: Ich finde Leute spannend, die mit ihren Projekten klein anfangen und dann groß werden. Für mich persönlich ist es zum Beispiel snorre Design, die Design-Objekte aus alten Lattenrosten machen. Sie kommen auch aus dem Bereich Architektur. Für mich war es inspirierend zu sehen, dass man einen anderen Weg gehen kann.

Daniil: Bei mir ist es eher so, dass mich Objekte inspirieren, nicht unbedingt die Personen dahinter. Daher kann ich mich da nicht so festlegen.

Wohin geht die Reise – was sind eure zukünftigen Pläne?

Maria: Wir entwickeln gerade unser nächstes Produkt, mit dem wir gerne in Serie gehen würden. Es wird ein Möbelstück, bei dem auch der Recycling-Aspekt im Vordergrund steht, wie bei Feel Refill. Bei diesem Projekt geht es ums Sammeln von Papiermüll.

Daniil: Außerdem möchten wir uns noch auf eine andere Ebene begeben und ein städtisches Projekt starten. Urban Furniture – also öffentliche Möbel, die ein Flaschen-Recycling-System mit Pfand integriert haben. Wir arbeiten gerade unterschiedliche Umsetzungskonzepte aus.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für eure zukünftigen Projekte!