Wohin mit dem ganzen Plastik(müll)? Auch bei uns im Happylab fallen trotz sorgsamem Umgang mit Materialien und Ressourcen immer wieder Kunststoffabfälle an - vor Allem Fehldrucke bei den 3D-Druckern. Richtig gefreut haben wir uns deshalb, als das Team von Precious Plastic Vienna vor ca. 1,5 Jahren mit uns Kontakt aufgenommen hat mit der Idee, uns die Plastikabfälle aus unserem Makerspace abzunehmen - und sinnvoll wieder zu verwerten!
Im Interview erzählt Karl von Precious Plastic Vienna (PPV) mehr darüber, wie der Verein in seiner Wiener Werkstatt Kunststoffabfälle recycelt und die Maschinen, die dabei zum Einsatz kommen:
Wer steckt hinter Precious Plastic? Wann und wie kam es zur Gründung eures Vereins?
Precious Plastic ist ein globales Kunststoff-Recycling-Projekt. Dieser Dachverein stellt Baupläne und Fachwissen frei zur Verfügung. Auch Möglichkeiten zur Vernetzung gibt es in der Precious Plastic App. Die Gründungsmitglieder Florian und Raphael haben sich 2017 über diese App gefunden und dann gemeinsam nach weiteren Mitgliedern für eine Wiener Precious Plastic-Werkstatt gesucht. Im Februar 2018 haben wir dann einen Platz im Co-Working Space der TU Wien in der Nordbahnhalle gefunden und dort mit Sebastian und Alon im kleinen Stil mit viel Materialexperimenten gestartet. Im Laufe der Zeit ist unsere Werkstatt Teil des WUK geworden und weitere Interessierte sind dazugestoßen, die sich auf andere Bereiche wie 3D-Druck oder Awareness-Workshops fokussierten.
Ihr beschäftigt euch seit mehreren Jahren intensiv mit Kunststoffrecycling. Aus welchen Arbeitsschritten besteht euer Prozess?
Der Plastikabfall muss zuerst einmal sauber sein, um ihn weiterverarbeiten zu können. Teilweise nutzen wir dafür einen alten Geschirrspüler, aber das Säubern ist insgesamt ziemlich mühsam, weshalb wir vor allem mit sauberem Abfall arbeiten. 3D-Druck-Abfälle eignen sich dafür zum Beispiel meistens gut, auch Laborabfälle sind praktisch, weil die vom Labor selbst gereinigt werden müssen. Das saubere Plastik muss dann sortiert werden: sowohl nach Plastiksorte und nach Farbe. Das machen wir händisch - es gibt zwar industrielle Methoden, um die Sortierung zu automatisieren, die sind aber viel zu aufwendig für einen Verein wie unseren. Das sortierte Plastik wird dann zerkleinert, üblicherweise in Stücke mit einer Größe von unter 1cm³. Dieses geshredderte Plastik kann schlussendlich mit unterschiedlichen Methoden erhitzt und in eine neue Form gebracht werden.
Abgesehen von der Verarbeitung selbst ist es auch wichtig, die Erkenntnisse aus unseren Experimenten danach zu dokumentieren. Im Laufe der Jahre konnten wir schon viel Erfahrung mit verschiedenen Plastiksorten sammeln und manche können wir schon ziemlich konsistent schön recyclen, es kommen aber immer wieder neue Herausforderungen.
Welche Maschinen nutzt ihr in eurer Werkstatt?
Zum Zerkleinern nutzen wir einen Shredder. Der besteht im Grunde aus einem Mahlwerk und einem starken Motor: oben kommen Abfälle rein, unten kommt zerkleinertes Plastik raus (es sei denn die Sicherung fliegt, weil das Plastik zu dick und fest war...). Für die Herstellung von Platten haben wir eine hydraulische Plattenpresse, zum Erhitzen nutzen wir da einen alten Pizzaofen. Alternativ können wir das Plastik mit einer Spritzgussmaschine erhitzen und in Formen gießen. Mit 3D-Druck-Filament aus recycletem Plastik haben wir auch schon experimentiert, dafür haben wir einen Extruder und Spooler von Felfil.
Precious Plastic stellt für verschiedenste Geräte Baupläne als Open Source Hardware zur Verfügung. Dank der Creative Commons-Lizenz sind diese für jeden frei verwendbar. Wir haben das genutzt und unseren Shredder selbst nach solchen Bauplänen zusammengebastelt. Die Spritzgussmaschine ist ebenfalls Open Source Hardware von Precious Plastic, und auch bei unseren Filament-Extrusions-Experimenten haben wir darauf geachtet - Felfil stellt die Baupläne seiner Maschinen ebenfalls frei zur Verfügung.
Was entsteht in eurer Werkstatt aus den recycelten Kunststoffabfällen? Kann man die Endprodukte bei euch auch kaufen?
Wie schon in der letzten Frage angedeutet, haben wir drei verschiedene Möglichkeiten: wir können Kunststoffabfälle in hübsche Platten pressen, in (fast) beliebige Formen spritzgießen, oder Filament fürs 3D-Drucken herstellen. Das Filament ist noch etwas experimentell, aber alles andere kann man kaufen! Da arbeiten wir auf Auftragsbasis - wenn Interesse besteht, einfach per E-Mail an info@preciousplastic.wien melden und wir machen uns was aus. Die Ergebnisse solcher Aufträge sieht man auf unsere Instragram-Seite: zum Beispiel haben wir schon Platten für einen Wiener Park und für eine Bar am Donaukanal produziert.
Habt ihr Pläne für die Zukunft?
Viele! Zum einen würden wir gerne unsere Produktion mit neuen Maschinen erweitern. Vor allem die 3D-Druck-Pipeline möchten wir ausbauen. Derzeit können wir nur sehr träge Filament extrudieren, also schauen wir uns nach einem professionellerem Extruder um. Außerdem suchen wir nach Ideen für das Einbinden von 3D-Druck in unsere Awareness-Aktivitäten. Diese Aktivität wollen wir auch insgesamt weiter ausbauen, beziehungsweise aus der durch Corona verursachten Pause zurückholen. Unser Hauptziel ist es ja, Plastikrecycling zugänglicher zu machen, und da gibt es noch viele ungenutzte Möglichkeiten...
Gibt es Möglichkeiten, mit euch zusammenzuarbeiten oder selbst aktiv zu werden?
Ja, sehr gerne! Wir sind derzeit auf Mitgliedersuche, um in unterschiedlichen Richtungen aktiver werden zu können. Ab Oktober wollen wir auch regelmäßig unsere Werkstatt für Interessierte öffnen mit einer Art "Tag der offenen Werkstatt" - das wird man dann auf unserer Website nachlesen können. Gerne kann man sich auch direkt bei uns melden, wenn es Interesse oder Ideen für eine Zusammenarbeit gibt: info@preciousplastic.wien!
Danke für das Interview und die Einblicke in euren Arbeitsprozess! Für weitere Infos zu Precious Plastic Vienna folgt dem Verein auf Instagram & Facebook oder schaut auf der Website vorbei!
Fotos 1 & 2 by Precious Plastic licensed under CC BY-SA 4.0, Fotos 3 - 7: Precious Plastic Vienna